Im Kanton Zug sind Baudenkmäler hochgradig gefährdet

(Zug)(PPS) Im revidierten Zuger Denkmalschutzgesetz sind die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung so extrem formuliert, dass kaum ein Bauwerk im Kanton Zug sie erfüllt. Wie das Bundesgericht 2021 entschieden hat, verstösst das Gesetz gegen die Bundesverfassung und das Völkerrecht, wenn es wörtlich ausgelegt wird. In einem seither gefällten Urteil betreffend der Kantonsschule Zug ist nun das Bundesgericht auf eine Beschwerde des Zuger Heimatschutzes aus formellen Gründen nicht eingetreten. Das vom Zuger Verwaltungsgericht wörtlich ausgelegte Denkmalschutzgesetz kann sich so drastisch auswirken, dass auch schützenswerte Gebäude wie Kirchen, Kapellen und Bauernhäuser gefährdet sind.

Im Jahre 2019 trat das revidierte Zuger Denkmalschutzgesetz in Kraft. Kern der Vorlage war die Einschränkung des Schutzes auf «äusserst wichtige» Zeugen. Das Problem: Solche gibt es in der Schweiz kaum. Bauten, die einem so strengen Massstab genügen, wären Kathedralen wie Notre Dame in Paris, der Kölner Dom, die Tower-Bridge, oder Schlösser wie Versailles und Schönbrunn. Aber sicher nicht provinzielle Patrizierhäuser wie der Zuger Zurlaubenhof oder die vielen Kirchen, Kapellen und Bauernhäuser im Zugerland.

Dem Zuger Heimatschutz nahe stehende Personen hatten dieses Gesetz beim Bundesgericht angefochten, und zwar u.a. wegen Verstössen gegen das von der Schweiz mitunterzeichnete Granada-Abkommen, das grundsätzlich Baudenkmäler von erhöhter Bedeutung («particulièrement remarquables») unter Schutz zu stellen verlangt. Das Bundesgericht hat (in BGE 147 I 308, vom 01.04.2021) diesen Beschwerdeführern damals insofern Recht gegeben, als es befand, ein auf «äusserst wichtige» Bauten eingeschränkter Denkmalschutz entspreche den Verpflichtungen des Granada-Abkommens, wie sie für die Schweiz gelten, nicht. Es verzichtete damals jedoch darauf, das Gesetz in diesem Punkt aufzuheben, da der unglückliche Begriff der «äussersten Wichtigkeit» letztlich konventionskonform ausgelegt werden kann.

In einem der ersten Anwendungsfälle seit diesem Bundesgerichtsurteil hat nun das Zuger Verwaltungsgericht (am 11.04.2022) entschieden, «äusserst wichtig» sei ein Baudenkmal von vorneherein nur dann, wenn es davon im Kanton Zug nicht weitere vergleichbare Exemplare gebe (so E. 5.4). Da neben der Kantonsschule, um welche es im vorliegenden Verfahren ging, im Kanton Zug weitere vergleichbare Beispiele der modernen Architektur zu finden seien, sei dieses Gebäude von vorneherein nicht «äusserst wichtig».

Nun liegt mit Datum vom 19.Juli 2023 in dieser Sache das Urteil des Bundesgerichts (1C_308/2022) vor. Das Bundesgericht ist aus formellen Gründen nicht auf die Beschwerde des Zuger Heimatschutzes eingetreten. Damit hat es die Frage offen gelassen, ob im Falle der Kantonsschule Zug die vorgenommene Auslegung des Zuger Denkmalschutzgesetzes wirklich mit dem Granada-Abkommen vereinbar sei. Diese Frage aufzuwerfen, sei, so das Bundesgericht, der Zuger Heimatschutz nicht legitimiert, weil er mangels Verbandslegitimation auf Bundesebene nur die Verletzung von Verfahrensrecht rügen könne. Damit bleibt es faktisch dabei, dass im Kanton Zug nur «äusserst wichtige» Bauten geschützt sind. Das sind gemäss dem Entscheid des Zuger Verwaltungsgerichts von vorneherein die vielen Bauernhäuser, Kirchen und Kapellen nicht, da es von diesen noch mehrere Exemplare gibt. Die Welle der Inventarentlassungen von wertvollen (aber nicht äusserst wichtigen Bauten), die nach dem Inkrafttreten des revidierten Denkmalschutzgesetzes anzurollen begann, wird nun also zumindest vorerst nicht gebremst.

Die Hoffnung beruht nunmehr auf engagierten Eigentümerschaften und Nachbarn, die bereit sind, für wertvolle Bauten in ihrem Besitz oder in ihrer Nachbarschaft zu kämpfen und das damit verbundene Prozesskostenrisiko in Kauf zu nehmen. Sie könnten sich wohl auf das Granada-Abkommen und den früheren Entscheid des Bundesgerichts (BGE 147 I 308) berufen. Dasselbe gilt für den Schweizer Heimatschutz, der jedoch nur an das Bundesgericht gelangen kann, wenn es um die Erfüllung einer Bundesaufgabe geht, was in Denkmalschutzverfahren nur selten der Fall ist. Der Heimatschutz bedauert es, dass das Bundesgericht seinen Entscheid vom 1.4.2021 (BGE 147 I 308) aus formellen Gründen nicht bestätigen und erhärten konnte.

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