Pferd brennt durch, vier Verletzte – Wer haftet?

(Winterthur)(PPS) Im September nahmen im Kanton Fribourg über 10‘000 Personen an einem Alpabzug teil.  Während dieses Anlasses brannte ein Pferd durch und es entstand grosser Schaden. Das Pferd ist ein Fluchttier und agiert entsprechend. In der Schweiz reiten gegen 140‘000 Personen, rund 90% davon sind Frauen. Der Fluchtinstinkt wie auch die Tatsache, dass sich ein Pferd mit enormer Kraft verteidigen kann, beinhalten auch Verletzungsgefahren. Ein Pferd wiegt durchschnittlich gegen 680 kg, es kann mit über 60 km/h galoppieren. Gegen 8‘000 Reiterinnen und Reiter verletzen sich jedes Jahr beim Reiten und müssen ärztlich behandelt werden. 

Aus rechtlicher Sicht stellt sich die Frage, wer ist grundsätzlich verantwortlich für den vom Pferd verursachten Schaden und wer haftet schliesslich dafür?

Welche Gesetze sind relevant?

Die Haftung des Tierhalters ist in Art. 56 Abs. 1 Obligationenrecht (OR) geregelt.

„Für den von einem Tier angerichteten Schaden haftet die Person, die es hält, wenn sie nicht nachweist, dass sie alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet hat, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. Es bleibt ihm der Rückgriff vorbehalten, wenn das Tier von einem andern oder durch das Tier eines andern gereizt worden ist“.

Gemäss Obligationenrecht haftet somit der Tierhalter für den von seinem Tier verursachten Schaden und dies ganz unabhängig davon, ob ihn ein Verschulden trifft oder nicht. Man nennt dies auch Kausalhaftung. Als Tierhalter kommt nicht nur der Eigentümer in Frage. Es kann auch jemand als Tierhalter haften, weil er zum Zeitpunkt des Schadeneintrittes eine Verfügungsmacht über das Tier innehatte.

Es gilt: Damit die Voraussetzungen für eine Haftung gegeben sind, muss ein Schaden vorliegen und ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Tieres und dem Schaden. Die Handlung des Tieres muss nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinem Lebenserfahrung geeignet sein, den eingetretenen Schaden herbeizuführen. Ausserdem braucht es eine Widerrechtlichkeit (Verstoss gegen das Gesetz, z.B.  bei Sachbeschädigung). Der Schaden muss durch ein tierspezifisches Verhalten entstanden sein. Bei einem Pferd liegt ein solches Verhalten vor, wenn es z.B. ausschlägt oder flüchtet.

Der Tierhalter kann sich dann von einer Haftpflicht befreien, wenn er nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt bei der Verwahrung und Beaufsichtigung des Tieres hat walten lassen oder der Schaden auch bei Beachtung aller Aufmerksamkeit eingetreten wäre. Daraus zeigt sich bereits, dass die Anforderungen an den Entlastungsbeweis in der Praxis allerdings sehr hoch sind. Die Gerichte urteilen ausserordentlich streng, siehe Beispiel Gerichtspraxis.

Gerichtspraxis

Ein fünfjähriger Knabe war auf dem Heimweg. Er kam an einer durch einen Elektrozaun eingegrenzten Wiese vorbei. Der Knabe konnte unter dem Zaun durchgehen und gelangte so zu den wenige Metern entfernten Tieren, wo ihn ein ausschlagendes Pferd am Kopf traf und schwer verletzte. Der Knabe erlitt ein Hirntrauma mit teils irreversiblen Schäden. Seine Eltern klagten gegen den Tierhalter auf eine Zahlung von über 148‘000 Franken. In den Erwägungen des Kantonsgerichts wird festgestellt, dass die angebrachte Einzäunung mit einem elektrisch geladenen Plastikband auf einer Höhe von 124cm nicht den Empfehlungen der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft entsprach und missachtet wurden. Die Sorgfaltspflicht wird deshalb als verletzt beurteilt. Weiter wird ausgeführt, dass die Umzäunung mit mehreren breiten Bändern oder Latten entsprechend der Empfehlung die Absperrung sehr viel deutlicher wahrgenommen worden wäre und das Unfallrisiko herabgesetzt hätte. Aus diesem Grunde sei auch der Entlastungsbeweis des Tierhalters gescheitert.

Es handelt sich bei diesem Fall um ein Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahre 2004 (BGE 131 III 115). Wichtig und zu beachten ist, dass jeder Schadenfall nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden kann.

Versicherung

Mit einer Privathaftpflichtversicherung kann ein Pferdehalter sein finanzielles Risiko beschränken. Welche Schäden im Einzelfall von einer Versicherung übernommen werden, hängt allerdings von der individuellen Police und der konkreten Situation ab. Jede Versicherungsgesellschaft gestaltet ihr Angebot anders. Es ist deshalb wichtig, sich von einem Fachmann beraten zu lassen, damit die eigenen Bedürfnisse berücksichtigt sind und ein möglicher Schadenfall auch gedeckt ist. Bei einer gewerbsmässigen Betreuung von Pferden ist grundsätzlich eine Betriebshaftpflichtversicherung erforderlich.

Firmenportrait: 

Die Organisation Active for Animals (active-for-animals.ch) informiert Tierhalter, Tiervereine und Tierfreunde praxisnah über Rechte und Pflichten im Umgang mit Tieren. Ziel ist es, durch mehr Wissen des Tierhalters einen Beitrag zu leisten zu einem harmonischen Miteinander zwischen Tierhaltern, ihren Tieren und Nichttierhaltern. Active for Animals unterstützt den Verein Sternschnuppe für Mensch und Tier (www.sternschnuppe-mensch-und-tier.ch). Dieser setzt sich aktiv für die Verbesserung der Lebensumstände von benachteiligten und verletzten Tiere ein.

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