AHV-Steuervorlage - Alte Steuerschlupflöcher mit neuen Etiketten

(Bern)(PPS) Am 19. Mai stimmen die Stimmberechtigten über die „Steuervorlage und AHV-Finanzierung“ (STAF) ab. Der Steuerteil der Vorlage bringt aus der Sicht von Alliance Sud, der Denkfabrik der Schweizer Entwicklungsorganisationen, im Vergleich mit der Unternehmenssteuerreform III (USRIII) keinen entwicklungspolitischen Fortschritt.

Die USRIII wurde im Februar 2017 dank des Widerstands der Gewerkschaften und rot-grüner Par­teien an der Urne deutlich abgelehnt. Nun soll der Steuerteil der STAF – wie es schon das Ziel der USRIII war – die alten, bis Ende 2019 abzuschaffenden Sondersteuerprivilegien für Konzerne aus der Pharma-, Finanz- und Rohstoffbranche durch neue Anreize zur Steuerflucht ersetzen. Als neue Instrumente sollen dabei die Patentbox, die zinsbereinigte Gewinnsteuer oder die Aufdeckung stiller Reserven bei Zuzug eingesetzt werden können.

Dominik Gross, Finanzexperte bei Alliance Sud, sagt: «Die Schweiz will mit der STAF weiter Gewin­ne multinationaler Konzerne aus dem Ausland importieren. Die entsprechenden Mechanismen krie­gen jetzt einfach neue Namen.» Den Schaden tragen die Entwicklungsländer: Gewinnverschiebun­gen multinationaler Konzerne in Tiefsteuergebiete wie die Schweiz entziehen den Gemeinwesen weltweit jährlich hunderte Milliarden Dollar an potentiellen Steuereinnahmen. Dominik Gross: «Das ist Geld, das dringend für die Bekämpfung der Armut in den Ländern des Südens oder für den Um­stieg auf klimafreundliche Infrastrukturen und die Anpassung an die Klimaveränderung gebraucht würde.

In ihrem ausführlichen Analysepapier zur STAF, streicht Alliance Sud aus entwicklungspolitischer Sicht vor allem die folgenden Punkte heraus:

  • Die alten Steuerprivilegien für multinationale Konzerne werden ab 2020 von der EU und der OECD nicht mehr toleriert. Sie werden bis Ende Jahr unabhängig vom Ergebnis der STAF-Abstimmung abgeschafft werden müssen. Das sagte jüngst auch Charles Juillard, der Präsi­dent der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren gegenüber Radio SRF, auch das Eidgenös­sische Finanzdepartement bestätigt dies.
  • Wahrscheinlichste Alternative zur STAF wäre eine Minivorlage ohne neue Privilegien, wie sie die CVP in der Vernehmlassung zur damaligen Steuervorlage 17 – vor der Verknüpfung mit der AHV-Finanzierung – bereits einmal vorgeschlagen hatte.
  • Die neuen Steuerabzüge auf Patentgewinne im Rahmen der Patentbox sind schwer kalku­lierbar. Sie werden gemäss Informationen aus der Bundesverwaltung zu einer maximalen Reduk­tion von 70% des steuerbaren Gewinns führen und damit effektive Steuersätze von nur 9 Prozent ermöglichen. Damit bliebe die Schweiz ein Zugpferd im für die Bevölkerungen ruinösen internatio­nalen Steuerwettbewerb.
  • Die Koppelung der zinsbereinigten Gewinnsteuer an einen kantonalen Mindeststeuersatz ist entwicklungspolitisch wirkungslos. Es spielt für Staaten, die um ihre Steuereinnahmen geprellt werden, keine Rolle, ob entsprechende Konzerngewinne in verschiedene Schweizer Kantone fliessen oder sich allesamt in ein paar wenigen Kantonen (derzeit wäre das nur in Zürich möglich) konzentrieren.
  • Die neue Rückzahlungsregel beim Kapitaleinlageprinzip (KEP) greift nicht, wenn es sich bei den betreffenden Kapitaleignern (Aktionären) um juristische Personen handelt. Kapitaleinlagereserven, die durch Zuzug einer Gesellschaft in die Schweiz oder durch Zahlung an eine Tochterfirma eines ausländischen Konzerns nach dem 24. Februar 2008 (Einführung des KEP) in die Schweiz entstanden, sind von der Rückzahlungsregel ebenfalls befreit. Damit können Firmen in allen diesen Fällen auch nach der Einführung der STAF Kapitaleinlagereserven gänz­lich steuerfrei an ihre – vor allem auch ausländischen – AktionärInnen zurückzahlen und damit die Dividendenbesteuerung in der Schweiz weiterhin vollständig umgehen.
  • Mit der deutlichen Erhöhung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer subventio­niert der Bund massive Steuersenkungen für alle Unternehmen in den Kantonen nach dem Giesskannenprinzip. Damit erhält die Abwärtsspirale der regulären Steuersätze im interkantona­len Steuerwettbewerb weiteren Schwung. Weil die Kantone je einzeln auch im internationalen „Race to the bottom“ mitmischen, ist auch diese Massnahme entwicklungspolitisch schädlich. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund ging im April 2018 von einer Senkung des durchschnittlichen kantonalen Gewinnsteuersatzes als Folge der Steuervorlage 17 von 40% aus. Mit der STAF än­dert sich daran nichts. Patentbox und zinsbereinigte Gewinnsteuer hemmen diese Abwärtsspirale nicht – anders als oft behauptet wird. Das zeigen die bereits vorhandenen STAF-Umsetzungs­konzepte vieler Kantone.
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