Kein Freipass für Scheinselbständigkeit – Nationalrat stellt sich hinter Arbeitnehmerschutz
(Bern)(PPS) Der Nationalrat hat heute Stellung bezogen: Die parlamentarische Initiative zur Aushöhlung des Sozialversicherungsrechts ist gescheitert. Damit bleibt der Schutz der Arbeitnehmenden bestehen – auch gegen die zunehmende Gefahr der Scheinselbständigkeit. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) begrüsst diesen Entscheid ausdrücklich. Er fordert weitere Massnahmen, um den Schutz der Arbeitnehmenden zu stärken und ihre Rechte konsequent durchzusetzen.
Die heute vom Nationalrat versenkte parlamentarische Initiative hätte es ermöglicht, Erwerbstätige allein aufgrund von Vertragsformulierungen als selbstständig zu deklarieren – auch wenn sie faktisch lohnabhängig arbeiten. Damit wäre die gesetzliche Grundlage für systematische Scheinselbständigkeit ohne Anspruch auf Sozialversicherungsschutz und geregelte Arbeitsbedingungen geschaffen worden – und damit ein Türöffner für Ausbeutung und Lohndumping. Der abschliessende Entscheid des Nationalrats gegen diesen Vorstoss ist ein Sieg der Vernunft – und vor allem ein Sieg der Arbeitnehmenden.
Bewährte Rechtssicherheit statt Aushöhlung durch Vertragstricks
Der SGB hatte sich von Anfang an vehement gegen die Vorlage gestellt – in einer breiten Allianz mit weiteren Gewerkschaften, Arbeitgeberbänden, Kantonen, Vollzugsorganen und dem Bundesrat. Denn die bestehende Praxis zur Unterscheidung von selbstständiger und unselbstständiger Erwerbsarbeit hat sich bewährt. Sie schützt Arbeitnehmende, indem sie auf objektive Kriterien wie Weisungsgebundenheit, wirtschaftliche Abhängigkeit und Eingliederung in eine Arbeitsorganisation abstellt – statt auf formale Vertragsbezeichnungen. Die nun abgelehnte Initiative hätte diese Grundsätze untergraben und es Arbeitgebern ermöglicht, sich aus ihrer sozialen Verantwortung zu stehlen – zulasten der Beschäftigten und der öffentlichen Hand.
Jetzt erst recht: Arbeitsschutz konsequent durchsetzen und ausbauen
Der Entscheid des Nationalrats ist ein wichtiger Etappensieg – aber er reicht nicht aus. Gerade in der Plattformökonomie, im prekären Dienstleistungsbereich und bei arbeitsteiligen Subunternehmerketten nimmt die Scheinselbständigkeit weiter zu. Wer arbeitet, verdient Schutz – unabhängig vom Geschäftsmodell seines Arbeitgebers. Der SGB wird sich deshalb für eine Stärkung des Arbeitnehmerschutzes einsetzen und fordert gezielte gesetzliche Weiterentwicklungen:
• Arbeitnehmendenvermutung bei Plattformbeschäftigten: Wer lohnabhängig arbeitet, soll nicht beweisen müssen, dass ein Arbeitsverhältnis besteht – vielmehr soll das Unternehmen die angebliche Selbständigkeit nachweisen müssen.
• Kollektiver Feststellungsverfügungsanspruch: Gewerkschaften sollten in der Lage sein, für ganze Gruppen verbindlich klären zu lassen, ob es sich um Arbeitsverhältnisse handelt – analog zur Praxis im Migrationsrecht.
• Subunternehmerhaftung: Grosse Auftraggeber müssen Verantwortung für die Einhaltung von Sozial- und Arbeitsrechten entlang der ganzen Subunternehmerkette übernehmen – wie es das Entsenderecht teilweise bereits vorsieht.
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