Aktionswoche Patientensicherheit 2017: Ohne Courage keine Sicherheit!
(Zürich)(PPS) Am Sonntag, den 17. September 2017 ist internationaler Tag der Patientensicherheit. Dieser Tag bildet den Auftakt zur dritten Schweizer Aktionswoche Patientensicherheit. Fokusthema in diesem Jahr ist das situative Ansprechen von Sicherheitsbedenken: das Speak Up. Mit der Initiative will Patientensicherheit Schweiz die Fachwelt, die Patienten und die breite Öffentlichkeit dazu ermutigen, jegliche Bedenken und Zweifel während der medizinischen Behandlung anzusprechen.
Ohne Courage keine Sicherheit!
Zürich, 15. September 2017 – Am Sonntag, den 17. September 2017 ist internationaler Tag der Patientensicherheit. Dieser Tag bildet den Auftakt zur dritten Schweizer Aktionswoche Patientensicherheit. Fokusthema in diesem Jahr ist das situative Ansprechen von Sicherheitsbedenken: das Speak Up. Mit der Initiative will Patientensicherheit Schweiz die Fachwelt, die Patienten und die breite Öffentlichkeit dazu ermutigen, jegliche Bedenken und Zweifel während der medizinischen Behandlung anzusprechen. Die Stiftung stellt verschiedene Materialien zur Verfügung, unter anderem zwei Kurzvideos zum Thema und ein eigens entwickeltes Monitoringinstrument, mit dem die Speak Up-Kultur in Organisationen untersucht werden kann. Die Entwicklung dieses neuen Fragebogens ermöglichte auch erstmals, Schweizer Daten zu erheben. Diese zeigen, dass jede dritte Fachperson bei Sicherheitsbedenken schon einmal schwieg. Gründe dafür sind Hierarchien und Resignation. Und doch: Speak Up nützt! Mehr als die Hälfte gab an, damit schon einen Zwischenfall verhindert zu haben. Höchste Zeit also um über Speak Up zu reden!
Typische Alltagssituationen: Der Oberarzt führt eine Lumbalpunktion durch – allerdings ohne Mundschutz und sterile Handschuhe. Die Infusion an Frau Schneiders Venenkatheter ist schon lange durchgelaufen – die zuständige Pflegende hat dies übersehen. Der Zustand von Herrn Müller hat sich auf Station verschlechtert – der Assistenzarzt blockt jedoch die Fragen der Pflegefachpersonen nach einer Verlegung auf die Intensivstation ab. Die chirurgische Checkliste wird im OP durch eine Pflegefachperson abgearbeitet, aber keiner hört zu und achtet darauf. Obwohl die Dinge nicht richtig laufen, sagt keiner vom Behandlungsteam etwas. Auch die Patienten schweigen zu häufig. Diese Alltagsituationen kann es in jedem Spital geben. In den aufgezählten realen Fällen ist glücklicherweise niemand zu Schaden gekommen, doch solche Situationen gefährden die Patientensicherheit und können auch für Mitarbeitende Folgen haben. «Das Tragische daran ist, dass oft jemand an der Situation beteiligt war, der merkt, dass etwas falsch läuft und trotzdem nichts sagt», betont Prof. David Schwappach. Was für die Stiftung den Ausschlag zum Handeln gab.
Sicherheitsbedenken anzusprechen ist wichtig
Gerade weil weltweit die Evidenz für krankenhausbedingte Todesfälle aufgrund medizinischer Fehler steigt, ist im Gesundheitswesen die Förderung der Team- und Sicherheitskultur wichtig. Die Kommunikation ist ein entscheidender Parameter für mehr Sicherheit. Schwappach betont, dass gerade Speak Up zentrales Element einer guten Sicherheitskultur ist und die Mitarbeitenden die entscheidende Ressource sind: «Unter Speak Up wird das offene Ansprechen von Sicherheitsbedenken durch Fachpersonen und Patienten verstanden – vor allem wenn es akuten Handlungsbedarf gibt und damit ein möglicher Schaden abgewendet werden kann». Nicht immer sprechen Fachpersonen beobachtete Fehler, Regelverletzungen oder inkompetentes Verhalten an. Kenntnisse, warum Mitarbeitende schweigen, sind für die Organisationen des Gesundheitswesens nützlich. «Die Auseinandersetzung mit Strategien, wie Speak Up-Fähigkeiten erhalten oder wieder vermittelt und kulturell eingebettet werden können, hat eine Praxisrelevanz, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann», sagt Prof. Dr. Dieter Conen, Präsident der nationalen Stiftung.
Resultate der ersten Schweizer Erhebung zur Speak Up-Kultur
Patientensicherheit Schweiz hat deshalb ein neues Monitoringinstrument in Form eines Fragebogens entwickelt, mit dem einerseits die Speak Up-Kultur erhoben werden kann und andererseits auch die Häufigkeiten von wahrgenommenen Bedenken, aktivem Speak Up und von Schweigen erfasst wird. «So können Handlungsfelder identifiziert werden», sagt David Schwappach. Der neu entwickelte Fragebogen wurde psychometrisch getestet. Erstmals lieferte die Pilotstudie zur Entwicklung des Fragebogens auch Schweizer Daten aus acht Schweizer Spitälern (N=1011). Die Daten zeigen, dass 80% der Befragten angaben, dass sie in den letzten vier Wochen mindestens einmal konkrete Bedenken bezüglich der Patientensicherheit in ihrem Arbeitsumfeld hatten. Zwei Drittel bemerkten in diesem Zeitraum einen Fehler, der gefährlich war. Solche Sicherheitsbedenken können in einer Vielfalt von Situationen auftreten, zum Beispiel im Medikationsprozess, bei der Nicht-Einhaltung von Hygieneregeln und Sicherheitsstandards bei Behandlungsentscheiden.
Warum schweigen Mitarbeitende oder Kollegen?
64-76% der Befragten gaben an, in den vergangenen 4 Wochen mindestens einmal Sicherheitsbedenken angesprochen und auf Fehler und Regelverletzungen hingewiesen zu haben. Gleichzeitig gab ein Drittel an, mindestens einmal ihre Zweifel verschwiegen zu haben. Gründe, warum Sicherheitsbedenken nicht vorgebracht werden, sind eine Unterschätzung des Risikos einer Situation, aber auch der Wunsch, Kollegen nicht vor anderen Mitarbeitern, Vorgesetzten oder Patienten blosszustellen. Laut Schwappach erfolgt oft ein Abwägen über das Risiko. Er betont: «Ein ernstzunehmender Grund fürs Nicht-Ansprechen ist die Resignation, wenn jemand beispielsweise die gleichen Dinge immer wieder vorbringt und sich trotzdem nichts ändert.» Die Gewöhnung an solche Regelverletzungen führe dazu, dass sie nicht mehr als «Abweichung» ernst genommen werden und dass es immer schwieriger wird, sie konstruktiv anzusprechen. «Mit der Zeit sagt jemand dann halt nichts mehr», warnt er. Aber: Mit Speak Up können Fehler verhindert und Risiken für die Patienten abgefangen werden. So gaben 55% der Befragten an, in den letzten vier Wochen durch das Äussern von Sicherheitsbedenken mindestens einen Zwischenfall abgewendet zu haben.
Reden kann Leben retten – Speak Up!
Eine gute Speak Up-Kultur ist daher entscheidender Baustein in einer guten Sicherheitskultur. «Die diesjährige Aktionswoche zur Patientensicherheit stellt deshalb das Speak Up ins Zentrum aller Aktivitäten und will damit Fachpersonen sowie Patienten dafür sensibilisieren, Sicherheitsbedenken anzusprechen», so Olga Frank, Projektleiterin der Aktionswoche. Mit einer Nachfrage oder einer Reaktion bei Unklarheiten können Mitarbeitende und Patienten Fehler und Zwischenfälle vermeiden. Doch Speak Up! will geübt sein, deshalb soll die Aktionswoche 2017 darauf sensibilisieren. «Wenn alle mitmachen und offen sprechen, kann das Äussern von Sicherheitsbedenken und damit die Kommunikation in Gesundheitseinrichtungen deutlich verbessert werden,» betont Olga Frank. Dies leistet einen wichtigen Beitrag für mehr Patientensicherheit.
Zahlreiche Angebote im Rahmen der Aktionswoche
Patientensicherheit Schweiz macht in diesem Jahr mit zwei Kurzvideos und weiteren Unterstützungsmaterialien symbolisch auf das Thema aufmerksam. Dazu stellt die Stiftung Informationsmaterial, wie Pocketcards für Mitarbeitende und Patienten, oder auch Poster zur Verfügung. Ergänzt wird die Kampagne durch verschiedene Aktionsangebote, wie die PATEM!-Patientenbroschüre, die in 11 Sprachen erhältlich ist. Neu können Interessierte einen Speak Up-Workshop im Careum Weiterbildung absolvieren oder das interaktive Theater der TheaterFalle «Sag öbbis» zum Thema engagieren. Ab dem 17. September 2017 stellt Patientensicherheit Schweiz allen interessierten Gesundheitseinrichtungen den validierten Speak Up-Fragebogen mit Handbuch zur Verfügung.
Patientensicherheit Schweiz
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