Einseitige Nachrichten prägen Meinungen in der Schweiz (Studie)
(Winterthur)(PPS) Eine neue Studie untersuchte den Einfluss einseitiger Auslandnachrichten auf die Meinungen in der Schweizer Bevölkerung. Eine Medienanalyse basierend auf 20 einseitigen Aussagen zu internationalen Themen ergab, dass Schweizer Medien oft einseitige Sichtweisen übernehmen. Eine Umfrage von gfs.bern mit 1590 Personen in der deutschsprachigen Schweiz ergab, dass viele dieser Aussagen von grossen Teilen der Bevölkerung uneingeschränkt akzeptiert werden. Die Studie zeigt, dass jüngere Personen und Frauen einseitigen Aussagen weniger zustimmen und intensiver Medienkonsum die Zustimmung erhöht. Die Unterschiede nach grossen Nachrichtenquellen wie SRF, Tamedia oder NZZ-Medien sind gering, während kleinere Medien wie die Weltwoche oder die Republik abweichen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Nachrichten aus ausländischen Quellen, die wirtschaftlichen und strategischen Interessen der USA nahe stehen, über Schweizer Medien die Meinungen in der Schweizer Bevölkerung in wichtigen internationalen Themen einseitig prägen. Die einseitige Abhängigkeit stellt eine autonome und souveräne Gestaltung der internationalen Beziehungen und der Aussenpolitik der Schweiz in Frage. Als erste Gegenmassnahme werden Deklarationspflichten der Medien für einseitige Ausrichtungen und Abhängigkeiten vorgeschlagen.
> Studie: https://zenodo.org/records/17224634
Ausfühliche Medienmitteilung
Hintergrund und Frage:
Die Medien in der Schweiz und in Europa verlassen sich in Auslandnachrichten auf internationale Presseagenturen, die über Personen und Mitgliedschaften in Organisationen mit wirtschaftlichen und strategischen Interessen der USA verbunden sind. Eine neue Studie hat anhand von 20 Aussagen zu internationalen Themen erstmals untersucht, wie sich diese Abhängikeit auf die Medienberichte und die Meinungen in der Bevölkerung auswirkt.
Methoden:
Im Rahmen einer Recherche in internationalen Medien wurden 20 verbreitete einseitige Sichtweisen zu international bedeutenden Ereignissen und Themen identifiziert und in 20 Aussagen zusammengefasst. Die Aussagen umfassten ein breites Spektrum an Themen, vom Ukraine-Krieg über Corona und China bis zu Jeffrey Epstein und John F. Kennedy. Anhand von zwei Tageszeitungen, dem Tagesanzeiger und der Neuen Zürcher Zeitung wurde überprüft, ob auch Schweizer Medien im Sinn der Aussagen einseitig berichteten.
Kern der Untersuchung ist eine von gfs.bern durchführte Meinungsumfrage zu diesen 20 Aussagen. 1590 Personen in der deutschsprachigen Schweiz wurden gefragt, inwieweit sie jeder der 20 Aussagen zustimmten. Die Antwortskala umfasste fünf Stufen von «stimme voll und ganz zu» bis «stimme überhaupt nicht zu». Im Zentrum der Analyse stehen die Anteile der Bevölkerung, die den einseitigen Aussagen «voll und ganz» zustimmten. Sie dienen als Mass dafür, wie weitgehend einseitige Sichtweisen von der Bevölkerung übernommen wurden.
Resultate
Die Tabelle zeigt die 20 Aussagen und die Zustimmung in der Deutschschweizer Bevölkerung. Die höchste Zustimmung erhielten zwei Aussagen zum Ukraine-Krieg: 50% stimmten der Aussage «Russland unter Putin ist eine Gefahr für ganz Europa» «voll und ganz» zu. 47% waren es bei der Aussage «Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist ein unprovozierter Angriffskrieg». Die Aussagen entsprechen Sichtweisen der einen Kriegspartei – der Ukraine und ihrer Unterstützer. Die Medienanalyse zeigte, dass die untersuchten Medien die einseitigen Sichtweisen nicht nur übernahmen, sondern Bemühungen um Objektivität sogar ausdrücklich ablehnten, und regelmässig verunglimpften.
Auch Sichtweisen, die durch neuere Information ganz oder teilweise widerlegt wurden, blieben für Meinungen bestimmend, möglicherweise auch weil die Medien frühere Fehlinformation nur in seltenen Fällen korrigierten. So stimmten 36% der Aussage uneingeschränkt zu, «China betreibt ein Sozialpunktesystem, das auf einer weitgehenden Überwachung der Bevölkerung beruht und bei tiefer Punktzahl zu Einschränkungen im Alltag führen kann.» Ebenso stimmen 19% der Aussage zu, «Russland und China haben im Jahr 2024 absichtlich Unterseekabel zerstört.».
Langfristige Wirkungen von einseitigen Nachrichten bis hin zu absichtlicher Desinformation zeigen sich in Meinungen zu früheren Ereignissen, wie «Die amerikanischen Waffeninspektoren fanden im Irak unter Saddam Hussein Belege für irakische Massenvernichtungswaffen.». Dieser Aussage stimmten immerhin 6% «voll und ganz» zu. Zusammen mit «stimme eher zu» und «teils-teils» waren es 24%. Das entspricht einem Drittel der Personen, die sich zu dieser Frage überhaupt äusserten, also unter Ausschluss der Antworten «weiss nicht/keine Antwort».
Aussage | Zustimmung in der Bevölkerung «voll und ganz» (%) |
Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist ein unprovozierter Angriffskrieg. | 47 |
Russland unter Putin ist eine Gefahr für ganz Europa. | 50 |
Die Osterweiterung der NATO ist für Russland keine ernsthafte Bedrohung. | 19 |
Die Absetzung der russlandfreundlichen ukrainischen Regierung im Jahr 2014 (Euromaidan-Proteste) war eine Revolution, die aus dem Volk kam. | 21 |
Dass die USA und Grossbritannien im Frühling 2022 einem Friedensvertrag zwischen der Ukraine und Russland im Weg standen, ist eine Verschwörungstheorie. | 21 |
Die aktuelle Krise der deutschen Wirtschaft hat wenig mit den Sanktionen gegen Russland und aus diesem Grund hohen Energiepreisen zu tun. | 18 |
Der Minsk II-Vertrag mit Russland (2016) war eine ernsthafte Friedensbemühung der Ukraine, Frankreichs und Deutschlands, die von Russland unterlaufen wurde. | 14 |
Die USA haben Russland nie versprochen, dass die NATO nicht nach Osten erweitert wird. | 11 |
Beim Terroranschlag auf die Nord Stream Pipeline richtet sich der Hauptverdacht der deutschen Regierung auf einen per Haftbefehl gesuchten Ukrainer. | 8 |
Am Anfang des Ukraine-Krieges hat ein ukrainischer Kampfpilot (der "Ghost of Kiew") in wenigen Tagen zahlreiche russische Flugzeuge abgeschossen. | 6 |
Der Ursprung der Covid-19-Pandemie (Corona) ist wahrscheinlich eine Übertragung des Virus von einem Tier auf einen Menschen. | 21 |
Die Covid-19-Impfstoffe (Corona-Impfstoffe) von Moderna und Pfizer verhinderten die Übertragung des Virus. | 18 |
China betreibt ein Sozialpunktesystem, das auf einer weitgehenden Überwachung der Bevölkerung beruht und bei tiefer Punktzahl zu Einschränkungen im Alltag führen kann. | 36 |
Chinas Statistiker publizieren seit Jahren geschönte Zahlen zum Wirtschaftswachtum. | 21 |
Russland und China haben im Jahr 2024 absichtlich Unterseekabel zerstört. | 19 |
Trump hat in seiner Wahlkampagne 2016 mit russischen Propagandisten zusammengearbeitet. | 14 |
Vermutungen, der Kindersex-Händler Jeffrey Epstein habe mit amerikanischen und israelischen Geheimdiensten zusammengearbeitet, sind abwegige Verschwörungstheorien. | 16 |
Die amerikanischen Waffeninspektoren fanden im Irak unter Saddam Hussein Belege für irakische Massenvernichtungswaffen. | 6 |
Iran kann nur noch mit militärischen Mitteln davon abgehalten werden, Atomwaffen zu entwickeln. | 17 |
Zwischen Lee Harvey Oswald – dem Mörder des US-Präsidenten John F. Kennedy (1963) – und dem amerikanischen Geheimdienst CIA gab es keine Kontakte. | 8 |
Auswertungen für Teilstichproben nach Geschlecht, Alter, Ausbildung, Einkommen, Medienverhalten, politische Orientierung und vielen weiteren Merkmalen geben differenzierte Einblicke in die Aufnahme von Nachrichten in der Bevölkerung. Über alle einseitigen Aussagen hinweg war die uneingeschränkte Zustimmung beispielsweise häufiger unter älteren Personen, Männern und Personen, die mehr als 30 Minuten täglich mit Nachrichten verbringen. Die Analyse nach wichtigsten Medienquellen zeigt unter den grossen Medienunternehmen (wie SRF, Tamedia und NZZ-Medien) geringe Unterschiede, während kleinere Unternehmen wie die Weltwoche und die Republik stärker abweichen.
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse zeigen, dass wirtschaflichen und strategischen Interessen der USA nahestehende ausländische Nachrichtenquellen über Schweizer Medien die Meinungen in der Schweizer Bevölkerung in wichtigen internationalen Themen einseitig prägen. Die einseitige Abhängigkeit stellt eine autonome und souveräne Gestaltung der internationalen Beziehungen der Schweiz und der Schweizer Aussenpolitik in Frage. Als erste Gegenmassnahme werden Deklarationspflichten der Medien für einseitige Ausrichtungen und Abhängigkeiten vorgeschlagen.
Zur Studie:
Die Studie wurde von Felix Schläpfer Economic Research konzipiert und erarbeitet. Die Befragung wurde von gfs.bern Ende Juni 2025 mit einer Stichprobe von Personen aus der deutschsprachigen Schweiz durchgeführt. Die Stichprobe wurden nach Alter, Geschlecht, Ausbildung, Siedlungsart und Parteibindung gewichtet, damit die Verteilungen annähernd denjenigen in der Bevölkerung entsprechen. Die Studie hat keine externe Unterstützung erhalten.
Zitiervorschlag: Schläpfer, F. (2025). Einseitigkeit in Nachrichtenmedien. Eine Analyse von Zeitungsberichten und Meinungen in der deutschsprachigen Schweiz. FS Economic Research, Winterthur. Doi: 10.5281/zenodo.17224633
Felix Schläpfer Economic Research forscht in den Bereichen Wirtschaft, Umwelt und Recht sowie individuelle und kollektive Entscheidungen. Felix Schläpfer war bis Ende 2024 Professor an der Kalaidos-Fachhochschule in Zürich.
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Felix Schläpfer, Dr. sc. nat. habil. oec.